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      genderKompetenzZentrum
Gleichstellung – nicht-binär und intersektional?!
Diskussionsrunde initiiert von GenderKompetenzZentrum und Gender/Queer e. V.
Mittwoch 22. Januar 2020, 19:30
aquarium, Skalitzer Str. 6, Berlin-Kreuzberg, U-Kottbusser Tor  
mit: Arn Sauer (Umweltbundesamt), Constanze Schwärzer (ZSIMT), Francis Seeck (Antidiskriminierungstrainer*in), Sandra Smykalla (ASH Berlin)
Moderation: Antke Engel und Andrea Lassalle (GenderKompetenzNetz)
Bios der Beitragenden s.u.
Bildung, Beratung, Theorie, Aktivismus. Die Veranstaltung blickt zurück auf 15 Jahre GenderKompetenzZentrum und in die Zukunft von Gleichstellung im Spannungsfeld intersektionaler Debatten, eines diversen Geschlechterbegriffs, rechter Anfeindungen und leerer Kassen.
Gerechtigkeitsforderungen, die umfassende soziale Gleichstellung, Selbstbestimmung und Freiheitsrechte sowie den Abbau von Diskriminierung und Gewalt betreffen, scheinen wichtig wie eh und je. Zugleich steht Gleichstellungspolitik aktuell vor besonderen Herausforderungen. Zum einen häufen sich die Anfechtungen von rechter bzw. antigenderistischer Seite und gefährden nicht zuletzt die Finanzierung. Zum anderen stellt Gleichstellungspolitik, die sich lediglich auf die Hierarchieachse Frauen/Männer bezieht, ein Problem dar. Sie wird weder den intersektionalen Debatten um rassistische, klassistische, ableistische und hetero- und homonormative Diskriminierung noch einem diversen Geschlechterbegriff gerecht, der auch inter*, trans* und nichtbinäre Geschlechtlichkeit berücksichtigt.
Das GenderKompetenzZentrum (GKompZ), 2003 als öffentlich finanzierte universitäre Einrichtung im Rahmen der Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung gegründet, hat sich seit 2010 zu einem Netzwerk freiberuflich arbeitender Expert*innen, Berater*innen, Wissenschaftler*innen entwickelt. Jetzt, 2019, werden wir das GKompZ als Einrichtung des Vereins Gender/Queer e.V. schließen. Warum? Und in welchem historisch-politischen Kontext fällen wir diese Entscheidung?
Neben verschiedenen persönlichen Gründen, prekärer Finanzierung und dem Scheitern an eigenen Ansprüchen spielt inhaltlich eine Rolle, dass uns der begriffliche Fokus auf Gender zu eng erscheint. Wir halten es für politisch wichtig, ein intersektionales Verständnis von Gleichstellung zu stärken. Was hieße es, die damit verbunden und durchaus nicht unumstrittenen queer/feministischen Perspektiven öffentlich zum Ausdruck zu bringen?  
Von Beginn an war das GKompZ darauf ausgerichtet, Gender im dynamischen Zusammenspiel diverser sozialer Unterscheidungen und Machtverhältnisse zu betrachten. Dies präzise zu formulieren und in die Beratungsarbeit einzubringen, war stetige Herausforderung und hat immer wieder zu inhaltlichen Umorientierungen geführt. So veränderte sich die klassische Gleichstellungspolitik durch queere und intersektionale Interventionen hin zu einem umfassenden Begriff von Gleichstellung. 2010 wurde das Konzept der Queerversität, das Diversitätsansätze kritisch weiterdenkt, in die Debatte eingebracht und entsprechende Angebote entwickelt. Auch der Status der Expert*innen im Netzwerk veränderte sich: An die Stelle  verlässlich finanzierter hauptberuflicher Beratung, Bildung und Expertise, die als öffentliche Aufgabe kostenlos bereitgestellt wurde, trat die unabgesicherte Arbeitssituation selbstständiger Expert*innen.
Alle bis heute am Netzwerk Beteiligten haben Gleichstellungsarbeit weiterhin in ihrem Programm. Manche unter anderen Vorzeichen, viele mit einer breiteren Einbettung des Genderkonzepts und sowieso in einer Vielzahl von Kontexten. In den letzten fünf Jahren hat sich niemand ausschließlich (oder auch nur überwiegend) über das GKompZ finanziert. Angesichts dessen erscheint der aktuelle Spagat zwischen theoretischen Herausforderungen und finanzieller Unsicherheit unter dem Vorzeichen politischer Anfechtungen nicht länger eine geeignete Voraussetzung für produktive Arbeit.
Dennoch, und das ist das Anliegen der Veranstaltung:
Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit gilt es kritisch weiterzudenken – insbesondere unter der Perspektive eines diversen und queeren Geschlechterbegriffs sowie komplexen intersektionalen Voraussetzungen. Gerade weil diese Ziele weit davon noch lange nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen umgesetzt sind, ist dies ein fortdauernder Prozess. Uneinigkeit und Konflikte um Prioritäten und Ressourcen lassen sich dabei nicht vermeiden, können aber vielleicht als produktiver Impuls verstanden werden. Es ist kaum zu erwarten, dass es simple Antworten gibt, wenn ein breiter Gerechtigkeitsanspruch im Spannungsfeld von Theoriebildung, politischen Meinungsverschiedenheiten sowie praktischen Notwendigkeiten von Umsetzbarkeit und Vermittelbarkeit verfolgt wird.
Hingegen sind die Anfechtungen der Gleichstellungspolitik unter den Stichworten „Gender-Wahn“, „Frühsexualisierung“ etc., die im Rahmen konservativer bis extrem rechter Ideologien Gender als Feindbild aufbauen und angreifen, einem umfassenden Gerechtigkeitsanspruch alles andere als dienlich. Dies betrifft sowohl die Ebene staatlicher Förderung (in Zeiten extrem rechter Präsenz in nahezu allen Parlamenten) als auch die Bedrohung und Anfeindung von in der Gleichstellungs- und Bildungsarbeit engagierten Personen und Institutionen.
Daher ist unter anderem zu fragen:
  • Kann (und sollte) eine als Querschnittsaufgabe gedachte gesellschaftliche Anforderung wie (Bildung und Beratung für) Gleichstellung ohne verlässliche öffentliche Finanzierung (nachhaltig) erfüllt werden?
  • Wie lässt sich eine notwendige Erweiterung dieser Gleichstellungskonzepte in intersektionaler Perspektive mit Beratungs- und Bildungsarbeit verbinden?
  • Wie ist es zu beurteilen, dass einerseits ein Diversity-Audit (Stifterverband) von den Universitäten stark nachgefragt (und mit öffentlichen Geldern finanziert) wird, während die Finanzierung unabhängiger Kultur- und Bildungseinrichtungen zunehmend unsicherer, teils existenzbedrohlich gekürzt, wird.
  • Wie kann intersektionale Gleichstellungspolitik und Bildungsarbeit in Zeiten von „Anti-Gender“ stattfinden und weiterentwickelt werden?
Wir laden für den 22. Januar 2020 ins aquarium ein, um diese Fragen gemeinsam mit ehemals und bis heute im GKompZ Mitarbeitenden und weiteren Expert*innen öffentlich zu diskutieren. Wir geben diese Fragen in Form dieser Erklärung auch an die Politik weiter.
Wir danken allen, die 15 Jahre GenderKompetenzZentrum aufgebaut, betrieben und unterstützt haben! Und laden ein, Farewell zu feiern.
Bios der Beitragenden
Arn Thorben Sauer (Pronomen: er)  gehört zu den wissenschaftlichen Mitarbeitenden des Gleichstellungsteams des Umweltbundesamts. Er hat zu internationalen Instrumenten gleichstellungspolitischer Folgenabschätzung promoviert, war Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung, Research Associate der Concordia Universität Montreal, ist bei TrIQ (TransInterQueer) engagiert und hat im GenderKompetenzZentrum gearbeitet.
Constanze Schwärzer-Dutta (Pronomen: sie) arbeitet als Anti-Bias-Trainerin, Moderatorin und Beraterin für Kund*innen wie Hochschulen, Behörden, Stiftungen, Kammern und NGOs. Zusammen mit ihren Kolleg*innen bei ZSIMT Berlin entwickelt sie den Anti-Bias-Ansatz für verschiedene berufliche Handlungsfelder weiter. Als ausgebildete Politikwissenschaftlerin und als Mutter und Tochter feiert sie außerdem die Vielfalt von Familien- und Lebensformen und kritisiert normative Familienpolitiken und -diskurse. www.zsimt-berlin.de/team/constanze-schwaerzer
Francis Seeck(kein Pronomen) ist Autor*in, Antidiskriminierungstrainer*in und Doktorand*in. Francis schreibt und forscht zu den Themen Klassismus, queere Prekarität, Geschlechtliche Vielfalt und Care und lehrt Gender und Queer Studies an der Alice Salomon Hochschule. Im Rahmen der Doktor*innenarbeit, gefördert durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung, forscht Francis ethnographisch zu trans/queerer Prekarität und Care. Francis ist in einer Vielzahl von Netzwerken aktiv, z. B. dem Institut für Klassismusforschung, dem Institut für Queer Theory und war im Vorstand von Gender Queer e.V. www.francisseeck.net
Sandra Smykalla (Pronomen: sie) ist Professor*in an der Alice Salomon Hochschule Berlin und ehemalige Mitarbeiterin des GenderKompetenzZentrums. Sie ist Autorin der Bücher Bildung der Differenz – Weiterbildung und Beratung im Kontext von Gender Mainstreaming (2010), Handbuch für Gleichstellung an den Hochschulen (2013) und, zus. M. Dagmar Vinz, Hrsg. von Intersektionalität zwischen Gender und Diversity – Theorien, Methoden und Politiken der Chancengleichheit (2016, 2011). www.ash-berlin.eu/hochschule/lehrende/professor-innen/prof-dr-sandra-smykalla/   
Antke Engel(Pronomen: xie) ist promovierte Philosophin*, Queer Theoretikerin* und freiberuflich in Wissenschaft, Kulturproduktion und Beratung tätig. Momentan ist xie Gastprofessorin* an der FernUniversität Hagen (zuvor: TU Darmstadt (2018/19), der ASH Berlin, Universität Wien Universität Hamburg). Seit 2006 leitet Antke Engel das „Institut für Queer Theory“ in Berlin (www.queer-institut.de). Von 2010-2019 war sie konzeptionell und als Beraterin* für für das GenderKompetenzZentrum tätig. www.antkeengel.de
Andrea Lassalle(Pronomen: sie) ist promovierte Literaturwissenschaftlerin und arbeitet seit 2010 als freie Lektorin, Beraterin und Autorin. Sie betreut Buchprojekte mit einem Schwerpunkt auf Gender- und Queer-Studies für Verlage und Autor*innen und lektoriert Publikationen für Verbände, Institutionen und Initiativen. Im Rahmen des GKompZ war sie als Beraterin tätig und bietet Schulungen zu gleichstellungssensibler Sprache an. Vgl. auch ihren Artikel zu feministischer Sprachkritikauf der Website des DDF. Sie engagiert sich auch für urbanes Gärtnern und nachhaltige Landwirtschaft. www.andrealassalle.de
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